Bereits nach wenigen Minuten sprudelten die Gäste nur so über vor Fragen. Viele von ihnen waren sehr persönlich, zeigten aber zugleich, wie individuell das Spektrum der Schockerlebnisse sein kann. „Jeder Schock“, so das Fazit von Dr. Gunia, „ist ein einschneidendes Erlebnis, das für jeden Menschen anders ist und mit dem jeder Mensch anders umgeht.“ Hinzu kommen die Umstände, die von Fall zu Fall variieren. Passiert es zu Hause oder im Öffentlichen Raum? Sitze ich oder falle ich um? Ist jemand bei mir oder bin ich allein? Und nicht zuletzt: War der Schock berechtigt oder nicht? „Es sagt sich leicht, aber oft geht es im Umgang mit einem Schock wirklich um die Perspektive, die ich dazu einnehme. Meiner Erfahrung nach können Patientinnen und Patienten ihre Lebensqualität deutlich verbessern, wenn sie verinnerlichen, dass die meisten Schocks berechtigt sind und jeder dieser Schocks tatsächlich verhindert, dass ein Mensch stirbt.“
Wie kommt es zu einer Schockabgabe?
Im Aggregat des Defis befindet sich ein Mikrocomputer. Dieser empfängt über die Elektroden aus dem Herzen ein permanentes EKG. Registriert der Mikrocomputer, dass die Herzfrequenz eine zuvor programmierte Herzfrequenz überschreitet, bereitet er eine Therapieabgabe vor. Meist sind verschiedene Therapiezonen einprogrammiert. In der unteren Zone versucht der Defibrillator, die erkannte Herzrhythmusstörung zuerst schmerzlos mittels einer Überstimulation zu beenden. Ist die Herzfrequenz so schnell, dass sie in der Kammerflimmerzone registriert wird, bereitet der ICD eine Schockabgabe vor. Dazu lädt er mithilfe der Batterie einen Kondensator auf. Bis der Kondensator zur Schockabgabe bereit ist, dauert es ca. fünf bis zehn Sekunden. Während dieser Ladezeit können entsprechend programmierte Defis über die Elektrodenbereits elektrische Impulse abgeben, um das Herz wieder in seinen normalen Takt zu bringen. Dies nennt man „Überstimulation“ oder auch Antitachykardes Pacing (ATP). Ist das ATP erfolgreich, bricht der Computer die Schockabgabe ab. Falls nicht, führt er diese durch. Viele Menschen, die bei einer Schockabgabe bei Bewusstsein sind, sagen, dass sie einen Defi-Schock so wahrgenommen haben, wie einen Pferdetritt vor die Brust.
Was tun nach einem Schock?
Hat ein Defi einen Schock abgegeben, sollten Patientinnen und Patienten sich zuallererst kritisch fragen: Wie habe ich ihn empfunden? Wie ging es mir kurz vorher und vor allem: Wie geht es mir jetzt? „Fühlen Sie sich gut und der Schock trat tagsüber auf, dann rufen Sie Ihre behandelnde Klinik oder Praxis an und beschreiben die Umstände. Sollte es Ihnen weiterhin gut gehen, werden Sie möglichst in den kommenden Tagen in der Ambulanz oder Praxis vorstellig, um den Defi auslesen zu lassen. Anders ist es, wenn es sich um die ersten Defi-Schockabgabe handelt oder wenn es Ihnen nach einem Schock nicht gut geht oder Sie auch nur leicht unsicher sind: Dann rufen Sie sofort den Notarzt und lassen sich in die Klinik bringen.“
Unberechtigte Schocks
Viele Patientinnen und Patienten leben nach der Implantation ohne weitere Probleme oder unberechtigte Schocks mit ihrem Defi. Dennoch treten sie auf und sind im Einzelfall tragisch. Auch im Arbeitskreis saßen Patientinnen und Patienten, die sie erlebt haben – zum Teil sogar zahlreiche hintereinander. Solche Schocks können verängstigen, emotional nachhaltig belasten und die Lebensqualität einschränken. Auch deshalb ist es wichtig, sehr schnell abzuklären, warum ein Schockt auftrat. So kann es zum Beispiel sein, dass er Störsignale empfangen hat, ein plötzliches Vorhofflimmern für Irritationen sorgte, die Kaliumwerte zu niedrig waren oder Daten falsch interpretiert wurden. Letzteres kommt zum Beispiel vor, wenn die Detektionsgrenze zur Erkennung von Rhythmusstörungen nicht passend justiert ist: „Mittlerweile hat sich eine Standardeinstellung herausgestellt, die für viele, aber nicht für alle passt“, sagte Dr. Gunia. „Oft können wir das zu Grunde liegende Problem bereits lösen, indem wir den Defi umprogrammieren. Das entlastet dann natürlich auch emotional.“ Wem eine solche Entlastung nicht alleine gelingt, obwohl der Fehler behoben werden konnte, sollte sich nicht scheuen, über seine Erlebnisse zu sprechen – etwa in einer Selbsthilfegruppe oder auch in einem therapeutischen Setting.