Zwischen Alarmbereitschaft und Erschöpfung

Ein implantierter Defibrillator schützt zwar das Leben – doch viele Betroffene bleiben trotz der medizinisch hervorragenden Komplettversorgung unglücklich. Vor allem nach Komplikationen, etwa mehreren Schocks oder nach einer Reanimation, berichten sie von Ängsten, Albträumen, depressiven Stimmungen oder dem Gefühl, sich selbst nicht mehr zu spüren. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ – hatte Dr. Brit Scholz deshalb groß auf eine ihrer Präsentationsfolien geschrieben. Doch was, wenn das Herz durch Angst und Verunsicherung wie blind geworden ist? Dr. Scholz machte deutlich: Nicht jede Belastung heilt von allein. Wenn Ängste, Schlafstörungen oder depressive Gedanken überhandnehmen, ist professionelle Hilfe gefragt. Besonders nach lebensbedrohlichen Situationen wie einem Kammerflimmern oder einer Wiederbelebung zeigen viele Betroffene Symptome, wie sie auch bei traumatischen Erfahrungen auftreten. Dann kann eine psychotherapeutische Begleitung entscheidend zur Heilung beitragen.

Die Kraft der Gruppe

Genau aus diesem Grund hat Dr. Brit Scholz in der Klinik in Erlabrunn, in der sie als Kardiologin tätig ist, gemeinsam mit der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ein interdisziplinäres Konzept entwickelt. Herzpatientinnen und -patienten werden dort seit 2016 nicht nur körperlich behandelt, sondern auch seelisch aufgefangen. Neben ärztlichen Gesprächen und der Physiotherapie stehen dort psychotherapeutische Einzelstunden und strukturierte Gruppentherapien im Mittelpunkt. Betroffene erleben so, dass sie mit ihren Ängsten, Fragen und Sorgen nicht allein sind. In geschützter Atmosphäre können sie Gefühle aussprechen, Erfahrungen teilen und neue Zuversicht gewonnen werden. Dr. Scholz stellte eindrucksvoll dar, wie viel Trost, Ermutigung und Stabilität eine therapeutisch begleitete Patientengruppe bieten kann: „Dort teilen Betroffene ihre Gedanken und Erlebnisse und dort fließen auch Tränen. Doch bereits das Gefühl, damit nicht allein zu sein, wirkt heilsam.“ Die Therapie folgt dem Prinzip der „thematischen Interaktion“, nach dem alle Teilnehmenden ihre eigene Lebenssituation einbringen, aber auch bereit sind, andere zu unterstützen. Ziel ist es, seelische Stabilität zu fördern und den Weg zurück in ein selbstbestimmtes Leben zu erleichtern. In diesem Geist verlief dann auch die Frage- und Antwort-Runde, in der die Teilnehmenden im geschützten Rahmen gegenüber Dr. Scholz ihre Gedanken und Fragen artikulieren konnten und für sich selbst das Gefühl mitnahmen, gehört und verstanden zu werden. Zum Abschluss appellierte Dr. Scholz noch einmal eindrücklich an alle, seelisches Leid nicht zu bagatellisieren. „Gefühle wie Angst, Wut oder Verzweiflung sind keine Schwäche – sondern ein natürlicher Ausdruck einer existenziellen Herausforderung.“

Weitere Informationen zum Angebot in Erlabrunn finden Sie auch in der Dokumentation des Online-Gesprächskreises, mit dem Dr. Scholz im Oktober 2023 ihre Zuhörerschaft begeistert hatte.

 

Text: Birgit Schlepütz
Fotos: Ilona Kamelle-Niesmann
Quellen: Arbeitskreis und Präsentation von Dr. med. Brit Scholz