Warum überhaupt impfen?

Viele Infektionskrankheiten galten früher als normales ‘Lebensrisiko‘. Manche Menschen betrachteten sie bis heute als Herausforderungen, die der Körper durchleben muss, um das Immunsystem zu stärken. „Doch das“, so Dr. Werbick, „ist tatsächlich ein Irrglaube. Denn was dabei oft vergessen wird: Krankheiten wie Masern, Grippe oder Lungenentzündungen forderten jahrzehntelang Millionen Menschenleben – vor allem unter Älteren und Vorerkrankten.“ Heute bieten Impfungen einen einfachen, aber wirksamen Schutz: Sie trainieren das Immunsystem, ohne dass jemand die Krankheit selbst durchmachen muss. Und: Sie sind in der Regel deutlich risikoärmer als die Erkrankung selbst. Dr. Werbick: „Besonders bei Menschen mit chronischen Erkrankungen kann jeder Infekt eine ernsthafte Gefahr bedeuten – etwa durch zusätzliche Belastung für das Herz oder durch Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen.“

Grippeimpfung hilft

Schon lange ist medizinisch erwiesen, dass nach einem Infekt das Risiko für einen Herzinfarkt deutlich steigt. So zeigten etwa Studien, dass sich in der Woche nach einer Grippe-Infektion das Herzinfarktrisiko um das Sechsfache erhöht. Denn: Entzündungsstoffe im Blut, Fieber, eingeschränkte Bewegung und eine höhere Herzfrequenz können das angeschlagene Herz zusätzlich belasten. Wer bereits vorerkrankt ist, lebt also mitunter gefährlich, ohne es zu ahnen. In diesem Fall hilft schon eine einfache Maßnahme: die jährliche Grippeimpfung. Sie senkt das Risiko für Herz-Kreislauf-Ereignisse nachweislich – und zwar ähnlich stark wie die regelmäßige Einnahme eines Cholesterinsenkers (Statin) für ein Jahr. Auch Impfungen gegen Pneumokokken oder das neue und mittlerweile weltweit verbreitete RSV-Virus, das zu schweren Atemwegserkrankungen führen kann, schützen Herzpatientinnen und -patienten nachweislich vor gefährlichen Komplikationen.

Was sollten chronisch kranke Menschen beachten?

Ein geschwächtes Immunsystem kann dazu führen, dass der Körper Infektionen schlechter abwehrt. Impfungen helfen, diese Schutzlücke zu schließen. Menschen mit chronischen Krankheiten wie Herzinsuffizienz, Diabetes oder Lungenerkrankungen sind grundsätzlich anfälliger für Infekte. Deshalb empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) für diese Gruppen oft frühere oder zusätzliche Impfungen. Eine Pneumokokken-Impfung, die unter anderem vor Lungenentzündungen schützt, ist zum Beispiel für gesunde Menschen ab dem 60. Lebensjahr empfohlen. Für Herzpatient*innen gilt dagegen keine Altersgrenze. Die Empfehlung zur RSV-Impfung gilt für gesunde Menschen erst ab dem 75.  Lebensjahr, während sie für chronisch Erkrankte bereits ab dem 60. Lebensjahr empfohlen wird. Umgekehrt gibt es aber auch – seltene – Ausnahmen. Nicht geimpft werden sollte man zum Beispiel bei akutem Fieber, bei bestimmten schweren Allergien (z. B. gegen Eiweißbestandteile) oder – im Fall von Lebendimpfstoffen – bei einer starken Immunschwäche. Wer unsicher ist, sollte unbedingt mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt sprechen. Den eigenen Impfstatus sollte man außerdem regelmäßig im Impfpass prüfen – besonders als chronisch kranker Mensch. Zudem riet Dr. Werbick dazu, dem Körper nach einer Impfung etwas Ruhe zu gönnen. Besonders in den ersten 24 Stunden sollten frisch Geimpfte auf Sport, Alkohol und Stress möglichst verzichten. Auch Schmerzmittel wie Ibuprofen sollten sie – wenn überhaupt – erst einige Stunden nach der Impfung einnehmen, da sie die Immunantwort abschwächen können. Je nach Erkrankung und Impfstoff liegt die Wirksamkeit zwischen 20 % (Grippe in Jahren mit schlechter Impfstoffpassung) und fast 100 % (Masern, Tetanus bei regelmäßiger Auffrischung). Auch wenn der Schutz nicht immer vollständig ist, so gab Dr. Werbick den Teilnehmenden mit auf den Weg: “Wer geimpft ist, erkrankt seltener – und wenn, dann meist deutlich milder.“

Impfung ist nicht gleich Impfung

Nicht alle Impfungen funktionieren nach dem gleichen Prinzip und nicht alle Impfstoffe entfalten ihre volle Wirkung sofort oder dauerhaft. Deshalb hier ein Überblick über die verschiedenen Impfmethoden.

Die aktive Impfung ist die klassische Form der Impfung, bei der dem Körper ein „harmloser“ Teil des Erregers verabreicht wird – zum Beispiel ein abgetötetes Virus oder nur ein Eiweißstück davon. Das Immunsystem erkennt diesen Teil als fremd, bildet Antikörper und „merkt“ sich den Erreger. So kann es später schnell reagieren, wenn es zu einer echten Infektion kommt. Die aktive Impfung entfaltet ihre volle Wirkung etwa nach 10–14 Tagen und bietet einen langfristigen Schutz durch das körpereigene Immungedächtnis (z.B. Grippe-, Pneumokokken-, COVID-19-, Tetanus-Impfung).

Bei der passiven Impfung erhält der Körper den Schutz von außen in Form „fertiger Antikörper“ verabreicht – zum Beispiel nach einem Kontakt mit Tollwut oder Tetanus, wenn keine aktive Impfung vorliegt. Die Wirkung setzt sofort ein, hält aber nur einige Wochen an, weil der Körper selbst kein Immungedächtnis aufbaut.

Lebendimpfstoffe enthalten „abgeschwächte, aber noch vermehrungsfähige“ Erreger. Diese lösen keine Erkrankung aus, regen das Immunsystem aber besonders intensiv zur Abwehr an. So entsteht meist ein sehr langlebiger Impfschutz – oft für viele Jahre oder sogar lebenslang. (z.B. Masern-Mumps-Röteln-Impfung (MMR), Windpocken, Gelbfieber). Doch Achtung: Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem dürfen nicht mit Lebendimpfstoffen geimpft werden.

mRNA-Impfstoffe enthalten keinen Erreger und kein Virusprotein – sondern nur eine Bauanleitung. Diese wird dem Körper für kurze Zeit übermittelt, die mRNA wird nach dem Ablesen schnell vom Körper abgebaut. Die Körperzellen stellen daraufhin selbst ein harmloses Virus-Eiweiß her. Das Immunsystem erkennt dieses Eiweiß, bildet Antikörper – und ist so bei einem echten Kontakt geschützt. Somit zählen Impfungen mit mRNA-Impfstoffen wie auch Lebendimpfstoffen zu den aktiven Impfungen.

Weil es während der Corona-Pandemie zu zahlreichen und auch schädlichen Falschinformationen über die mRNA-Impfstoffe gekommen war, stellte Dr. Werbick im Arbeitskreis noch einmal klar: „mRNA-Impfstoffe verändern das menschliche Erbgut nicht. Sie sind mittlerweile gut erforscht und werden breit eingesetzt.“

Dr. Werbick betonte: Ob eine aktive oder eine passive Impfung gegeben wird oder ob in selteneren Fällen ein Lebendimpfstoff verabreicht wird, hängt immer von der Erkrankung, gegen die geimpft werden soll, vom Gesundheitszustand, vom Alter und von der konkreten Situation ab. Herzpatientinnen und -patienten sollten Impfungen stets mit ihrer Hausärztin oder ihrem Kardiologen abstimmen. Die gute Nachricht und ein Appell von Dr. Werbick zum Schluss der aktiven Gesprächsrunde: „Für fast alle chronisch Kranken stehen heute sichere und gut verträgliche Impfstoffe zur Verfügung. Außerdem ist Impfen auch für gesunde Menschen nicht nur Selbstschutz – sie schützen damit zusätzlich Menschen, die ihnen nahestehen.“

Die Folgende Liste zeigt die empfohlenen Impfungen für Erwachsene, die auf den aktuell (2025) geltenden den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) beruhen.

  • Grippe (Influenza): für alle Personen mit Herzerkrankung vor der Grippesaison empfohlen, jährlich als Auffrischung
  • Tetanus und Diphtherie: Standardimpfung für alle, Auffrischung alle zehn Jahre
  • COVID 19: Besonders empfohlen für alle Menschen über 60 und Vorerkrankte, Auffrischung jährlich (bevorzugt ab Herbst)
  • Respiratorische Synzytial-Virus (RSV): neuer Impfstoff gegen einen weltweit verbreiteten Erreger von akuten Atemwegserkrankungen, bei Herzkrankheiten ab 60 Jahren empfohlen (früher als bei Gesunden), bislang 1 Dosis (Stand: 2025)
  • Gürtelrose (Herpes zoster): Standardimpfung ab dem 60. Lebensjahr für alle, die Impfung dient vor allem der Vermeidung chronischer Schmerzen nach einer Gürtelrose und der Verhinderung schwerer Verlaufsformen. Vorerkrankte Menschen können schon ab 50 geimpft werden, hier insbesondere bei Diabetes, chronischer Nierenerkrankung oder Lungenerkrankungen. Es sind 2 Dosen im Abstand von 2-6 Monaten nötig
  • Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME): Die Impfung schützt vor einer Virusinfektion, die Entzündungen des Gehirns, der Hirnhaut oder des Rückenmarks verursachen können und durch Zeckenbisse übertragen werden. Impfen lassen sollten sich Menschen in Risikogebieten, eine Auffrischung ist alle drei bis fünf Jahre fällig

 

Zum Weiterlesen

Aktuelle Impfempfehlungen für Herzpatienten finden Interessierte auf diesen Seiten:

 

 

Text: Birgit Schlepütz
Fotos: Ilona-Kamelle-Niesmann
Quelle: Vortrag und Arbeitskreis Dr. Werbick