Was macht das Herz eigentlich?

Das menschliche Herz ist mehr als ein Muskel. Was es zu leisten im Stande ist, veranschaulichte Professor Paul mit einem einprägsamen Vergleich: So schlägt es zum Beispiel über 100.000 Mal pro Tag und pumpt dabei rund 7.000 Liter Blut durch den Körper – die Füllmenge eines handelsüblichen Tanklasters. Aufs Leben gerechnet kommt so die unvorstellbare Menge von 200 Millionen Litern Blut zusammen. Dies entspricht der Ladung eines Überseefrachters, der mit Containern voll beladen ist. Doch nicht nur die Pumpleistung zähle, so Professor Paul. Wichtig sei auch die „Herzelektrik“, also das elektrische System, das den menschlichen Herzschlag steuert. Um diese Herzelektrik zu überprüfen, kommen verschiedene Untersuchungsmethoden zum Einsatz: Vom klassischen EKG (Elektrokardiogramm) über das Langzeit-EKG bis hin zur Belastungsuntersuchung auf dem Fahrrad-Ergometer. Bei Letzterem wird geschaut, wie das Herz unter körperlichem Stress reagiert – ein wichtiger Hinweis auf versteckte Risiken.

Wenn die Gene mitreden

Auch die genetische Diagnostik spielt bei bestimmten Herzerkrankungen – zum Beispiel bei der Diagnose des Langen-QT- oder Brugada-Syndroms- eine Rolle. Durch einen vererbbaren Gendefekt ist das Risiko für das Auftreten möglicherweise auch gefährlicher Rhythmusstörungen erhöht. Die Betroffenen haben im Alltag häufig keine Beschwerden, im EKG lassen sich aber mitunter typische Auffälligkeiten nachweisen. Dank moderner Genanalysen lässt sich heute in vielen Fällen frühzeitig feststellen, ob eine Person ein erhöhtes Risiko trägt – und ob ein Defi als vorbeugende Maßnahme sinnvoll sein könne.

Der Blick ins Herz

Neben der Elektrik spielt auch die Struktur des Herzens eine Rolle. Mithilfe von Ultraschalluntersuchungen (Echokardiographie), Magnetresonanztomographie (MRT) oder Herzkatheter-Untersuchungen kann man erkennen, ob das Herz gesund aufgebaut ist, ob es ausreichend durchblutet wird oder ob sich krankhafte Veränderungen wie Kardiomyopathien zeigen. Von Kardiomyopathien spricht man bei Veränderungen des Herzmuskels. Sie verlaufen oft schleichend, können aber lebensgefährlich werden. Anhand zahlreicher Fallbeispiele zeigte Prof. Paul, wie selbst kleine Veränderungen ein deutlich erhöhtes Risiko für plötzliche Rhythmusstörungen bedeuten können. In solchen Fällen kann ein ICD nicht nur schützen, sondern tatsächlich Leben retten.

Das große Ganze im Blick

Professor Pauls Vortrag war nicht nur ein fachlicher Überblick in punkto Herzdiagnostik – sondern auch ein Plädoyer für Sorgfalt, Geduld und eine Medizin, die den Menschen als Ganzes sieht. So bedeute zwar nicht jede Auffälligkeit im EKG gleich höchste Gefahr, sollte jedoch ernst genommen und abgeklärt werden. Eine gute Diagnostik setze sich deshalb aus vielen Puzzleteilen zusammen und brauche zudem das offene Gespräch zwischen Arzt und Patientin oder auch umgekehrt. Mit einer Prise Humor gelang es Prof. Paul, die bisweilen komplizierten Zusammenhänge leicht verständlich zu vermitteln – eine Wohltat besonders für diejenigen Gäste, die sich gerade erst mit ihrer neuen Lebenssituation auseinandersetzen müssen.

Hier noch einmal kurz und knapp die wichtigsten Diagnosemethoden, die vor einer Defi-Implantation in Frage kommen. Als Hinweis: Nicht jede Untersuchung ist in jedem Fall nötig. Welche Tests gemacht werden, entscheidet der Arzt oder die Ärztin je nach Krankheitsbild und Vorgeschichte.

  • Die Anamnese ist das vertrauensvolle Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin, in dem Patient*innen darüber berichten, unter welchen Beschwerden sie leiden, ob sie bereits Ohnmachten, Herzstolpern oder Herzrasen hatten – und ob es bereits Herzerkrankungen in der Familie gab oder gibt.
  • Das Elektrokardiogramm (EKG) misst die elektrische Aktivität des Herzens und lässt erste Rückschlüsse auf Rhythmusstörungen oder Anzeichen für Herzinfarkte zu.
  • Das Langzeit-EKG zeichnet die elektrische Aktivität des Herzens über 24 Stunden oder länger auf und kann so bei der Diagnose von seltenen oder unregelmäßig auftretenden Rhythmusstörungen helfen.
  • Das Belastungs-EKG (Ergometrie) überprüft die Leistung des Herzens unter körperlicher Belastung wie zum Beispiel Fahrradfahren. Dies Untersuchung gibt zum Beispiel Hinweise auf eine gestörte Durchblutung und zeigt die individuellen Belastungsgrenzen von Patient*innen.
  • Der Herzultraschall (die Echokardiographie) ist ein bildgebendes Diagnoseverfahren des schlagenden Herzens. Mithilfe des Herzultraschalls lassen sich die Größe, die Pumpleistung und die Klappenfunktionen des Herzens untersuchen.
  • Herz-MRT oder CT: Das Magnet Resonanz Tomogramm und das Computer Tomogramm sind weitere Verfahren, die detaillierte Bilder des Herzmuskels sowie der Herzkranzgefäße liefern und zum Beispiel Narben, Entzündungen oder angeborene Veränderungen erkenntlich machen.
  • Blutbilder untersuchen unter anderem bestimmte „Marker“ für Herzerkrankungen, geben Aufschluss über Entzündungswerte und die Zusammensetzung des Elektrolythaushalts im Blut.
  • In bestimmten Fällen kann eine genetische Analyse den Verdacht auf eine erbliche Herzmuskelerkrankung erhärten und deshalb für die individuelle Risikobewertung wichtig werden.

 Thorsten Schippmann bedankt sich bei Prof. Dr. med. Matthias Paul für den Eröffnungsvortrag© I. Kamelle-Niesmann

Text: Birgit Schlepütz
Quelle: Vortrag Professor Dr. med. M. Paul