Studien zur Störsicherheit von Implantaten

Alleine in Deutschland tragen weit über eine Million Menschen ein Implantat, das Herzrhythmusstörungen therapiert. Doch obwohl die Zahl der Implantationen seit Jahren steigt, fehlten lange Zeit Angaben dazu, welche elektromagnetischen Felder (EMF) für Patientinnen und Patienten tatsächlich ein Risiko darstellen. Dementsprechend existieren weder national noch international verbindliche Grenzwerte für EMF zu ihrem Schutz.

Dr.-Ing. Dominik Stunder und seine Kolleg*innen am Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu) der Universitätsklinik RWTH Aachen haben deshalb den „Risikofaktor EMF“ im Rahmen mehrerer Studien (s.u.) genauer untersucht. Zum einen wollten sie herausfinden, welche Wirkung niederfrequente elektrische und magnetische Felder in der Umwelt auf kardiale Implantate haben. „Zum anderen“ so Dr. Stunder, „wollten wir identifizieren, ab welcher elektrischen oder magnetischen Feldstärke die Arbeitsweise von Herzschrittmachern oder Defibrillatoren gestört wird.“ In Kooperation mit der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin setzten die Forscher*innen des femu daraufhin Implantat-Träger*innen kontrolliert elektrischen und magnetischen Feldern verschiedener Feldstärke aus. Neu am Ansatz der Forscher*innen war, dass sie zusätzlich die Einkopplung der Felder in das Implantat-System und die Störfestigkeit des Implantats selbst unabhängig voneinander untersuchten. So konnte ein vollständiges Bild über die Einflussfaktoren für ein Beeinflussung von kardialen Implantaten erlangt werden.

Was bedeutet die Studie für Menschen mit kardialen Implantaten?

Grundlegend wichtig war diese Forschung nicht nur, weil immer mehr Menschen kardiale Implantate tragen. Wie eingangs geschildert, nimmt auch ihre Exposition durch elektromagnetische Felder infolge der Technisierung und Digitalisierung unseres Alltags seit Jahren zu. Viele Menschen mit kardialen Implantaten fragen sich deshalb, wo für sie Gefahren lauern oder ob sie überhaupt noch arbeiten dürfen. „Durch unsere Studien“ so Dr. Stunder, „konnten wir erstmals Worst-Case-Faktoren sowie Schwellenwerte für den Frequenzbereich von 2 kHz bis 200 kHz bestimmen. Diese sogenannten Störschwellen kann man nun mit Feldquellen von Alltagsgegenständen oder Feldquellen im beruflichen Kontext vergleichen und zur Sicherheitsbewertung von Magnetfeldemissionen heranziehen.“

Die Studienergebnisse zeigten zudem, dass es möglich ist, Herzschrittmacher und Defibrillatoren abweichend von den vom Hersteller empfohlenen Werten einzustellen und damit die Störsicherheit zu erhöhen – immer vorausgesetzt, dass dies klinisch vertretbar und der Herzerkrankung angemessen ist. „Gerade für Menschen mit kardialen Implantaten, die beruflich hohen elektromagnetischen Feldern ausgesetzt sind, kann das bedeuten, dass sie trotz Implantat wieder ins Berufsleben einsteigen können“, so Dr. Stunder.

Im Anschluss an seinen Forschungsbericht ging Dr. Stunder gezielt auf die Fragen der Teilnehmenden ein, die den Bogen vom Umgang mit dem Handy bis zum Verhalten in Sicherheitsschleusen am Flughafen schlugen. Die grundlegende Erkenntnis dazu lautete, dass die meisten EMF-Quellen von Alltagsgegenständen eher als unbedenklich einzustufen sind, wenn man ihre unmittelbare Nähe zum Körper meidet. Vom Induktionsherd über das Widerstandsschweißgerät bis zum Warensicherungs-System heißt das: Bei einem Abstand von mehr als 30 cm – also etwa einer Unterarmlänge – sind Menschen mit kardialen Implantaten sehr gut geschützt.

Ulrike Duchna bedankt sich bei Dr. Stunder für seinen Vortrag. © HERZ IN TAKT- Defi-Liga e.V.Ulrike Duchna bedankt sich bei Dr. Stunder für seinen Vortrag. © HERZ IN TAKT- Defi-Liga e.V.Dr.-Ing. Dominik Stunder war über zehn Jahre Wissenschaftler am Forschungszentrum für Elektro-Magnetische Umweltverträglichkeit (femu) der Universitätsklinik RWTH Aachen und ist (Co-)Autor zahlreicher Studien zur Beeinflussung kardialer Implantate durch elektrische, magnetische oder elektromagnetische Felder. 2020 veröffentlichte er in der von Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. med. Steffen Leonhardt, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Klaus Radermacher und Univ.-Prof. Dr. med. Dipl.-Ing. Thomas Schmitz-Rode herausgegebenen Reihe „Aachener Beiträge zur Medizintechnik“ seine Dissertation „Beeinflussung kardialer Implantate durch Magnetfelder im Zwischenfrequenzbereich“. Die Dissertation erschien im Verlag Shaker (1. Edition 2020) 

 

Quellen:

Dr.-Ing. Dominik Stunder persönlich, Veröffentlichungen

Weitere Studien:

 

Text: Birgit Schlepütz