Unser Kurzzeitgedächtnis braucht Aufmerksamkeit
Zunächst einmal erstaunte Marita Wielage-Bücker die Teilnehmer_innen damit, dass in unserem Gehirn bereits ab dem 23. Lebensjahr die ersten Gehirnzellen wieder absterben. Bis dahin saugen wir Wissen mühelos ein, lernen Sprachen einfacher und können auf ersten Erfahrungen neues Wissen aufbauen. Wichtig sei deshalb, dass wir nicht erst im Alter die verbleibenden Zellen weiterhin gut miteinander vernetzen. Anfällig für „Vergesslichkeit“ werde insbesondere unser Kurzzeitgedächtnis, während das Langzeitgedächtnis bis ins Alter relativ störungsfrei arbeite. So kommt es auch, dass alte Menschen sich gut an Ereignisse erinnern können, die schon sehr lange zurückliegen, während sie sich mit tagesaktuellen Nachrichten schwer tun.
Alle Informationen, die wir aufnehmen, wandern zunächst in unser Kurzzeitgedächtnis. Ob wir sie dann längerfristig behalten, liegt daran, wie schnell wir sie verarbeiten können. Diese Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (IVG) hängt wiederum davon ab, wie es uns geht, wie alt wir sind – und auch davon, was uns die Gene in die Wiege gelegt haben. Zudem brauchen wir eine Merkspanne von 7 Sekunden, um im täglichen Leben gut klar zu kommen. Zum Beispiel, um uns eine Kontonummer zu merken. Auch die Merkspanne können wir sehr gut trainieren.
Soziale Kontakte pflegen – offen bleiben für Neues
Wie lange wir uns mit Informationen beschäftigen, dazu tragen natürlich auch unsere sozialen Kontakte bei. Denn im Gespräch widmen wir uns Themen intensiver und länger, indem wir zum Beispiel das Für und Wider einer Position betrachten oder gemeinsam thematisches Neuland erschließen. Auch Erfahrungen wie Reisen trainieren uns, weil wir unseren Erfahrungshorizont erweitern, wenn wir uns fremden Kulturen gegenüber öffnen. Zudem erhöht das Reisen unsere Raumverhaltenskompetenz – das heißt, unsere Fähigkeit, sich in fremden Stadträumen oder Landschaften zurechtzufinden. Reisen können aber nicht nur stattfinden, indem wir uns von A nach B bewegen: Auch das Reisen im Kopf, also das „sich einlassen auf Neues“ vernetzt unser Gedächtnis enorm.
Wie unsere Gehirnhälften einander helfen
Unsere beiden Gehirnhälften arbeiten völlig unterschiedlich. Vereinfacht ausgedrückt, arbeitet unsere linke Gehirnhälfte Informationen nacheinander ab und ist für das logische Denken, das Erkennen von Zahlen und die Raumwahrnehmung zuständig. Unsere rechte Gehirnhälfte kann gleichzeitig wahrnehmen, ist für Rhythmus und Musik, das Lesen und alles Spielerische, Kreative zuständig.
Wie beide Gehirnhälften zusammenarbeiten, um uns das Merken leichter zu machen, zeigte Marita Wielage-Becker an einem Beispiel: Arbeitet nur die linke Gehirnhälfte, ist es schwer, sich folgenden Spruch zu merken.
Ein Zweibein
sitzt auf einem Dreibein
und isst ein Einbein.
Da kommt ein Vierbein
und nimmt dem Zweibein
das Einbein weg.
Da nimmt das Zweibein
das Dreibein
und schlägt das Vierbein.
Verknüpft die rechte Gehirnhälfte die oben stehenden Worte aber mit Bildern, kann man sich den Spruch sehr viel einfacher merken:
Ein Mensch
sitzt auf einem Schemel
und isst einen Hähnchenschenkel.
Da kommt ein Hund
und nimmt dem Menschen
den Hähnchenschenkel weg.
Da nimmt der Mensch
den Schemel
und schlägt den Hund.
So ging es munter weiter: Mit Zahlen- und Buchstabenspurts, Fingerübungen und Begriffen, die spiegelverkehrt auf einem Blatt wiedergefunden werden mussten. Fazit des Nachmittags: Nicht nur für Defi-Patienten, deren Konzentrations- und Merkfähigkeit auch lange nach einem Plötzlichen Herztod noch eingeschränkt sein kann, war dies wieder mal ein gut gewähltes, praxisorientiertes Gesprächskreis-Thema.
Text: Birgit Schlepütz
Quelle: Vortrag Marita Wielage-Bücker